
Ist das… ein Roter Panda? Wer in die Archive blickt, ist überrascht von den wissenschaftlichen Illustrationen über diese Tierart. Doch auch beeindruckend akkurate Darstellungen sind zu finden, die den Kleinen Panda tatsächlich so zeigen, wie er ist.
Die Zeiten ändern sich – die Illustrationen auch
Wissenschaftliche Illustrationen waren lange die einzige Möglichkeit, das Aussehen von Tierarten festzuhalten. Kaum ein naturwissenschaftlicher Klassiker kommt ohne sie aus. Zwischen Dichtung und Dokumentation pendelnd, hat sich dieses Genre im Laufe der Jahrhunderte stetig weiterentwickelt und dabei auch beeindruckende Meisterwerke hervorgebracht.
Die Geschichte hinter den hier dargestellten Illustrationen, die Arbeitsweise der Illustratoren damals und heute, und die Vorteile der Illustration gegenüber der Fotografie verrät uns der Biologe Michael Gruber. Der Salzburger ist als selbstständiger Illustrator tätig und bietet auf seiner Webseite Hieronymus Illustrations einen Einblick über sein Schaffen.
Ein Gespräch über Kunst, Realismus und Kleine Pandas mit viel zu großen Ohren.
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Red Pandazine: Warum braucht es in Zeiten der digitalen Fotografie und ihren Möglichkeiten überhaupt noch Illustrationen?
Michael Gruber: Der Vorteil einer Illustration gegenüber einer Fotografie ist, dass man durch die grafische Darstellung eines Lebewesens, egal ob Tier oder Pflanze, gewisse Strukturen hervorheben kann, welche bei einem Foto fast nicht zur Geltung kommen – sei es durch Farbe oder durch gesonderte Darstellung. Man kann auch andere Strukturen weglassen wie z. B. Pflanzenteile bei Blütendarstellungen oder Mundwerkzeuge von Insekten, um dadurch eine noch genauere Vorstellung der betrachteten Struktur zu bekommen.
Arbeiten Sie analog oder am Computer?
Michael Gruber: Grundsätzlich arbeite ich mit beidem. Mein Hauptfokus liegt allerdings auf der analogen Arbeitsweise, da diese für mich leichter und schneller anzuwenden ist. Wenn ich in Zoos oder Museen bin, habe ich meinen Bleistift und mein Skizzenheft dabei, um Impressionen einzufangen oder um Bewegungsstudien zu machen. Die Ausarbeitung erfolgt dann zuhause mit der jeweils von mir ausgewählten Technik, sei es mit Tusche, Bleistift, Farbstift, Gouache oder aber auch mit Photoshop.
Wie hat sich die Arbeitsweise bzw. das Berufsbild von wissenschaftlichen Illustratoren verändert?
Michael Gruber: Früher war der Beruf des Illustrators in der Forschung eine angesehene und gut bezahlte Anstellung, da es vieles gab, was noch nicht beschrieben bzw. illustriert wurde. Heute ist es durch die enorme Datenmenge von Texten, Fotos o. Ä. über jegliches Thema auf der Welt nicht mehr notwendig, Illustrationen aus dem Tier- und Pflanzenreich anzufertigen, außer es handelt sich um Kunst. Was die Wissenschaft betrifft, gibt es heute nur mehr wenige Forscher, die Ihre Zeichnungen selbst machen bzw. werden überhaupt keine grafischen Darstellungen mehr verwendet. Ich glaube das liegt an drei Dingen:
1. kostet es sehr viel Zeit eine wissenschaftlich korrekte Illustration zu erstellen;
2. benötigt man ein gewisses Talent zu zeichnen oder die Fähigkeit sich eine spezielle Technik anzueignen;
3. liegt der wissenschaftliche Fokus heutzutage weniger auf der anatomisch, morphologischen Beschreibung von Arten sondern mehr auf der genetischen, molekularen Klassifizierung.
“Wenn alle das Gleiche machen würden,
wäre niemand mehr besonders.”
Stehen Illustratoren in einem Spannungsverhältnis zwischen Kunst und realitätsgetreuer Dokumentation? Ist es möglich, seinen eigenen Stil zu entwickeln?
Michael Gruber: Die Grenze zwischen Kunst und realitätsgetreuer Dokumentation ist schwindend gering. Wenn man sich eine Künstlerin wie Morgane Antoine (2011 & 2012 Finalistin beim „BBC Wildlife Artist of the Year“-Wettbewerb) ansieht, dann ist es meiner Meinung nach sehr schwer, ihre Werke in eine der beiden Kategorien einzuordnen. Es ist empfehlenswert seinen eigenen Stil zu kreieren, um sich abzuheben und um bemerkt zu werden. Wenn alle das Gleiche machen würden, wäre niemand mehr besonders.
Aus welchen Bereichen stammen heutzutage hauptsächlich neue oder noch wenig dokumentierte Tierarten? Sind diese inzwischen schon vermehrt im “Mikrokosmos” zu finden?
Michael Gruber: So ist das recht schwer zu sagen. Es gibt in vielen Tier- und Pflanzenstämmen neu beschriebene Arten und es werden jedes Jahr einige neue hinzugefügt. Ich arbeite hauptsächlich mit Einzellern (Ciliaten, Protozoen), also Tieren, die sich von ihrer Körpergröße im Mikrometer-Bereich befinden. Wenn man z. B. eine Bodenprobe nimmt, findet man mit Sicherheit eine unbeschriebene Art. Hier ist das Feld der Neuentdeckungen also relativ groß.

Wie sind früher – etwa vor Beginn der Fotografie – Illustrationen entstanden? Waren die Illustratoren des 19. Jahrhunderts eher “Phantombildzeichner” der Biologie, weil ihre Arbeiten auf Nacherzählungen und Augenzeugenberichten beruhten? Oder waren diese vielleicht selber “in der Natur”, um das Objekt vor Ort zu studieren?
Michael Gruber: Sowohl als auch. Zur Zeit des 19. Jahrhunderts und auch davor, war es durchaus üblich die Zeichnungen, zumindest die Skizzen, im Freiland zu machen. Dies galt vor allem für jene, die sich Reisen leisten konnten. Alle anderen mussten sich mit Zoos und Museen begnügen. Es gab allerdings auch solche Genies wie Albrecht Dürer, der das bekannte Bild des Rhinocerus nur durch Augenzeugenberichte und grobe Skizzen von Kollegen anfertigte, ohne das Tier jemals gesehen zu haben. Natürlich wurde es nicht ganz realitätsgetreu, aber das Bild ist erstaunlich genau geworden.

Foto: www.BioLib.de – GNU Free Document License

Wie kann es sein, dass beispielsweise eine Darstellung, die 1869 entstanden ist (Abbildung 4), genauer und korrekter erscheint, als jene von 1900 (Abbildung 3)?
Michael Gruber: Das liegt hauptsächlich am Illustrator selbst. Die Darstellung von 1869 (Abb. 4, Anm.) scheint mir am nächsten an der Wirklichkeit, was sehr für den Zeichner spricht. Sehr wichtig bei der wissenschftlichen Illustration ist, sich nicht von Äußerlichkeiten ablenken zu lassen, wie z. B. von den Ohren, die bei der Illustration um 1900 (Abb. 3, Anm.) sehr groß erscheinen und dem Illustrator außergewöhnlich vorgekommen sein mussten. Wichtig ist die Relationen im Auge zu behalten und nicht in eine Karikatur abzuschweifen.
Fällt Ihnen zu diesen oder anderen Darstellungen von Roten Pandas etwas besonderes auf? Etwas, das nur ein “geschultes Auge” bemerkt?
Michael Gruber: Ich würde die Pose des Tieres anders wählen. Es wirkt um einiges anschaulicher, wenn man das Tier in einer vertrauen Position sieht, als es von der Seite darzustellen, mit Blick zum Leser.
Kennen Sie die Künstler? Könnten Sie sich vorstellen, wie diese Darstellungen entstanden sind?
Michael Gruber: Der Illustrator des 1869 veröffentlichten Bildes (Abb. 4, Anm.), der niederländische Künstler Joseph Smit (1836-1929), fertigte diese Zeichnung wahrscheinlich von einem ausgestellten Roten Panda aus dem Londoner Museum an. Die Methode, Tiere aus Museen oder Zoos zu zeichnen war recht gängig zu jener Zeit, da man sich die Reisekosten zu den exotischen Orten sparen konnte, aber trotzdem Zugang zu diesen hatte.
“Das Schwerste beim Roten Panda
ist definitiv das Fell.”
Wenn man bei Ihnen einen Roten Panda in Auftrag geben würde: Was wären die konkreten Arbeitsschritte bis zur fertigen Illustration?
Michael Gruber: Zuerst muss man sich nach einem geeigneten Motiv umsehen. Ich würde einen Zoo mit Roten Pandas besuchen, um mir ein Bild seiner Bewegungen und seines Verhaltens zu machen. Fotographieren hilft neben dem Skizzen zeichnen, um Posen festzuhalten, welche man später ausarbeiten kann. Unterstützend dienen Bücher und das Internet. Danach wählt man die Technik, mit der man arbeiten möchte. Da es sich hier um ein Tier mit einer auffälligen Färbung handelt, ist es besser, die Illustration in Farbe und nicht unbedingt in Schwarz-Weiß zu machen. Hat man nun eine passende Rohzeichnung angefertigt, geht es ans Kolorieren. Zuletzt werden Outlines und Highlights, wie Schatten oder Lichtlinien eingefügt.
Was ist Ihre Einschätzung: Ist der Rote Panda generell ein schwierig zu zeichnendes Motiv? Falls ja, warum?
Michael Gruber: Generell würde ich sagen: nein. Das Schwerste beim Roten Panda ist definitiv das Fell, aber wenn man diese Zeichentechnik beherrscht, ist es nicht schwer.

Zur Person
Mag. Michael Gruber (33) hat Biologie an der Universität Wien studiert. Durch seine Tätigkeit als technischer Assistent an der Universität Salzburg, bei der er viele Einzeller für die Bestimmungsliteratur zeichnen konnte, kristallisierte sich der Wunsch heraus, die wissenschaftliche Illustration zu seinem Hauptberuf zu machen. Zu seinen großen künstlerischen Vorbildern zählt Ernst Haeckel (Kunstformen der Natur).
Hieronymus Illustrations
Seit August 2015 ist Michael Gruber selbstständig. In seinem Grafikbüro Hieronymus Illustrations – der Name ist eine Hommage an seinen Vorfahren, den Kupferstecher Hieronymus Löschenkohl – fertigt Gruber Illustrationen zu zoologischen Themen vom Mikrometer bis zum Meterbereich sowie aus der Botanik an. Gruber gestaltet außerdem auch Illustrationen für Kinderbücher.
Einige seiner Arbeiten bietet er auch in seinem neuen Onlineshop an.
Auszug aus den bisherigen Arbeiten
- “Terrestrial and Semiterrestrial Ciliates (Protozoa, Ciliophora) from Venezuela & Galàpagos“, OÖ Landesmuseum/Biologiezentrum, 2016
- Kinderbuch “Eiskalt erwischt! Ein Fall für die Sinnesdetektive”, Morawa, erscheint 2017