Ein Roter Panda, zwei Unterarten?

Neue Erkenntnisse hinterfragen eine Studie aus dem Jahr 2020 zur Klassifizierung von Roten Pandas.

Ein Spiegelbild eines Roten Pandas auf dunklem Hintergrund. Mehrere grüne Bambusblätter sind zu sehen. Die Schnurrhaare der Spiegelbilder berühren sich.
Rote Pandas: Handelt es sich um eine oder zwei Arten?

Im Jahr 2020 stufte eine bahnbrechende Studie eines chinesischen Forschungsteams den Ailurus fulgens (den in Nepal, Bhutan, Indien und Tibet vorkommenden Roten Panda) und den Ailurus styani (den in den chinesischen Provinzen Sichuan und Yunnan vorkommenden Roten Panda) als zwei verschiedene Arten ein.

Dr Mukesh Thakur in front of a tent while "on field" for his research
Dr. Mukesh Thakur
Scientist Dr. Supriyo Dalui in the laboratory. He examines the collected samples.
Dr. Supriyo Dalui

In der neuen Studie stellen Dr. Mukesh Thakur, Wissenschaftler vom Zoological Survey of India, und seine Kollegen Dr. Supriyo Dalui und Dr. Lalit Kumar Sharma diese Ergebnisse in Frage. Die Forscher bieten eine neue Perspektive auf die genetischen und morphologischen Variationen innerhalb der Populationen des Roten Pandas.

Dr. Thakur erklärt in einem E-Mail-Interview, warum diese Studie zu anderen Schlussfolgerungen kam und welche Auswirkungen die Klassifizierung des Roten Pandas auf den Artenschutz hat.


Red Pandazine: Wie unterscheiden sich die Studien in ihrer Herangehensweise und warum sind die Ergebnisse so unterschiedlich?

Dr. Mukesh Thakur: Der wesentliche Unterschied liegt im Stichprobendesign und im geografischen Umfang. Frühere Studien, insbesondere Hu et al. (2020), konzentrierten sich auf Rote-Panda-Populationen aus China und Nepal, wodurch eine kritische Lücke in der Stichprobe in der transhimalayischen Region, insbesondere in Indien und Bhutan, entstand.

Aus unserem Archiv (2020):

Unsere Studie schließt diese Lücke, indem sie Proben analysiert, die auf beiden Seiten des Siang-Flusses in Arunachal Pradesh, Indien, gesammelt wurden – einer potenziellen Kontaktzone zwischen den beiden Linien.

Zusätzlich verwendeten wir sowohl mitochondriale (mtDNA) als auch nukleare (Mikrosatelliten) Marker (siehe Infokasten unten, Anmerkung) sowie fotografische Auswertungen, während frühere Studien sich weitgehend auf genomische SNP-Daten („Single Nucleotide Polymorphism”, Variation der DNA-Bausteine, Anmerkung) von geografisch weit entfernten Populationen stützten.

Diese methodischen und räumlichen Unterschiede erklären die gegensätzlichen Ergebnisse: Frühere Erkenntnisse sprachen für zwei unterschiedliche Arten, während unsere Daten einen anhaltenden Genfluss und das Fehlen einer klaren morphologischen Divergenz zeigen, was eine Klassifizierung in Unterarten stützt.

Was unterscheidet die beiden Ansätze – zwei Arten versus zwei Unterarten – in der Praxis des Natur-/Artenschutzes?

Dr. Mukesh Thakur: Die Einstufung von Abstammungslinien als unterschiedliche Arten führt oft zu getrennten Management- und Zuchtprogrammen, während der Unterartenansatz die genetische Konnektivität und integrierte Schutzstrategien fördert. Wenn die Populationen reproduktiv kompatibel sind, ermöglicht ihre Behandlung als Unterarten eine genetische Rettung, vermeidet Inzuchtdepression und verbessert die langfristige Lebensfähigkeit sowohl der Wild- als auch der in Gefangenschaft lebenden Populationen. Das Unterartenmodell berücksichtigt die Divergenz und bewahrt gleichzeitig die evolutionäre und ökologische Kohäsion, was insbesondere für weitverbreitete Arten wie den Roten Panda von entscheidender Bedeutung ist.

„Wenn Rote Pandas weiterhin als zwei unterschiedliche Arten behandelt werden, könnte das zu einer künstlichen genetischen Isolation führen.“

Dr. mukesh thakur


Was würde passieren, wenn die beiden Gruppen weiterhin als unterschiedliche Arten behandelt würden – hätte dies negative Folgen?

Dr. Mukesh Thakur: Ja, wenn Rote Pandas weiterhin als zwei unterschiedliche Arten behandelt werden, könnte das zu einer künstlichen genetischen Isolation führen, insbesondere in Zuchtprogrammen in Gefangenschaft, wo die Kreuzung zwischen verschiedenen Linien nicht erwünscht ist. Dies könnte die genetische Vielfalt verringern, speziell in kleinen, fragmentierten Populationen, und das Anpassungspotenzial künftiger Generationen einschränken. Eine fehlgeleitete Trennung auf Artenebene könnte auch die Prioritäten im Naturschutz verzerren und Ressourcen von einem integrierten Management auf Landschaftsebene abziehen, das für die weitverbreitete Fauna des Himalaya unerlässlich ist.

Einige Eindrücke von der „Feldarbeit“ der Forscher



Wie erklären Sie es sich, dass frühere Studien deutliche äußere Unterschiede zwischen den (Unter-)Arten feststellten, Ihre Studie diese Unterschiede jedoch nicht bestätigen konnte?

Dr. Mukesh Thakur: Frühere Berichte haben aufgrund begrenzter und geografisch verzerrter Stichproben wahrscheinlich die morphologischen Unterschiede überbewertet. Unsere Studie untersuchte 22 Rote-Panda-Felle und zahlreiche Feldfotos aus der gesamten Kontaktzone in Arunachal Pradesh. Wir fanden keine konsistenten äußeren Unterschiede in der Fellfarbe, dem Schwanzringmuster oder den Gesichtszügen. Dies deutet darauf hin, dass vermeintliche diagnostische Merkmale eher innerhalb der natürlichen phänotypischen Variation liegen oder durch Umwelt- und altersbedingte Faktoren beeinflusst werden, anstatt feste Unterschiede auf Artenebene darzustellen.


A Red Panda is running on the ground. The ground is covered with leaves. The sun breaks through the shady scenery, some light falls on its face and one of its ears.
Ein in einem Zoo lebender Roter Panda. Die Fortpflanzungskompatibilität von Roten Pandas könnte mit der Zoo-Population getestet werden. Foto: Jürgen Breitenbaumer


Red Pandazine: Was müsste getan werden, um endgültig zu bestimmen, ob Ailurus fulgens und Ailurus styani zwei Arten oder zwei Unterarten sind?

Dr. Mukesh Thakur: Eine endgültige Antwort würde einen integrierten Ansatz erfordern. Dieser müsste die genomweite Sequenzierung von Individuen im gesamten Verbreitungsgebiet (speziell in Indien und Bhutan), die Modellierung ökologischer Nischen zur Überprüfung der Lebensraumtrennung, Tests zur Fortpflanzungskompatibilität, insbesondere in Zoo-Populationen, und die langfristige Überwachung des Genflusses in natürlichen Populationen umfassen. Die Kombination von Genomdaten, Feldökologie und morphologischen Variationen durch die landschaftlichen Gegebenheiten bietet die zuverlässigste Grundlage für die taxonomische Einordnung und die Planung von Schutzmaßnahmen.


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Supriyo Dalui, Lalit Kumar Sharma, Mukesh Thakur
Wiley, 2025
https://doi.org/10.1111/jbi.15175